Heinrich Huhn: Übernahme durch Berylls mit Unterstützung von Creditshelf

München, Januar 2023

Heinrich Huhn: Übernahme durch Berylls mit Unterstützung von Creditshelf

München, Januar 2023
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n der Automobilzuliefer-Branche häufen sich bereits seit einiger Zeit die Krisenfälle. 

Aber mit dem richtigen Konzept für die Zukunft kann es wieder nach oben gehen. Die Berylls Group GmbH mit Hauptsitz in München hat über ihren Beteiligungsarm Berylls Equity Partners den insolventen Automobilzulieferer Huhn übernommen – unterstützt durch eine Fremdkapitallösung von Creditshelf.

Von Alexander Görbing

Vor zwei Jahren kam die schlechte Nachricht, die Heinrich Huhn-Gruppe musste Insolvenz anmelden. Im Verlauf des Insolvenzverfahrens konnte mit der Berylls Group GmbH ein strategischer Investor gefunden werden, der über eine umfangreiche Erfahrung in der Mobilitäts- und Zuliefererbranche verfügt. Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens müssen alle Beteiligten eng zusammenarbeiten – und das unter hohem Zeitdruck. Wenn hier die Zahnräder nicht reibungslos ineinandergreifen, dann kann die geplante Unternehmensrettung auch noch an Kleinigkeiten scheitern. Wie das Zusammenspiel der einzelnen Parteien idealerweise, funktioniert, zeigte sich dagegen beim Automobilzulieferer Huhn aus Drolshagen in der Nähe von Siegen in Nordrhein-Westfalen.

Informationsfluss und Zeitplan sind sehr wichtig

„Es ist immer sehr wichtig, dass alle Player im Prozess sehr gut informiert sind, dass es einen Zeitplan gibt und dass dieser dann auch eingehalten wird. In einem Insolvenzverfahren bauen viele Entscheidungen aufeinander auf und es gilt Fristen einzuhalten, um zu vermeiden, dass zeitkritische Folgeprobleme entstehen können“, erklärt Stefan Hnida, Leiter Partnermanagement bei der Creditshelf AG. Seit mehr als zwei Jahren setzen sich Teams bei Creditshelf auch mit Finanzierungen im Bereich von Distressed M&A auseinander. Bislang gab es schon ein gutes Dutzend Fälle, die mit Fremdkapitallösungen ermöglicht wurden. „Ermöglichen ist genau das richtige Stichwort, denn wir verstehen uns bei diesen Transaktionen als eine Art ´Deal-Enabler´ für einen strukturierten Verkauf“, fährt Hnida fort. Angesichts der Vielzahl an Herausforderungen weltweit, rechnet er für die kommenden Monate mit mehr Geschäft in diesem Bereich. Das liege nicht nur an den Nachwirkungen der Corona-Pandemie und der aktuellen Kosten- und Lieferkettenkrise, sondern auch an der zunehmenden Zurückhaltung von klassischen Banken. „Wir agieren sicher etwas risikofreudiger als traditionelle Geldgeber – aber wir lassen uns das auch entsprechend bezahlen“, so Hnida weiter.

Autor
Andreas Rauh

Executive Partner

Im Kern grundsolide Unternehmen

Im Fall der Heinrich Huhn-Gruppe ging das Team von Creditshelf ähnlich vor wie bei vergleichbaren Finanzierungsentscheidungen im Bereich Automotive. Ein Kriterium bei der Entscheidung ist unter anderem der Umfang der Wertschöpfungskette. Weiterhin werden auch die Marktchancen im Bereich der Elektromobilität überprüft, während die Lieferung von Komponenten für den konventionellen Antriebsstrang eher negativ bewertet wird. „Die Unternehmen, die wir uns ansehen, sind oftmals im Kern grundsolide und haben ein tragfähiges Geschäftsmodell. Trotzdem können sie durch unerwartete Entwicklungen in eine Liquiditätskrise geraten“, so Hnida. Insgesamt sei die gesamte Branche sehr finanzierungsintensiv, durch hohe Aufwendungen im Bereich Investitionen, Lagerhaltung sowie Forschung und Entwicklung. Bei der Frage einer Finanzierungsbeteiligung sei es aber ebenso wichtig zu erfahren, welche Pläne der neue Investor mit dem Unternehmen hat und welche Wachstumsstory es geben soll.

Schnelle und effektive Lösung

Die Heinrich Huhn-Gruppe beschäftigt rund 500 Mitarbeiter an ihren Standorten in Drolshagen sowie bei der Tochtergesellschaft in Vráble (Slowakei). Das Unternehmen, das auf eine über 100jährige Geschichte zurückblicke kann, beliefert weltweit Abnehmer aus der Automobilbranche mit Metallumformteilen für Bremskraftverstärker, Lenksäulen, Getriebe, Lager sowie mit weiteren Baugruppen im Automobilbereich. 1912 gegründet, war die Heinrich Huhn Deutschland GmbH ein Familienunternehmen, das bis in die vierte Generation in der Hand der Gründerfamilie blieb. Die Herausforderungen für den Automobilzulieferer, wie die die Dieselkrise und die weltweite Corona-Pandemie, waren dann die Auslöser für eine existenzbedrohende finanzielle Schieflage. „Als wir auf die Huhn-Gruppe aufmerksam wurden, waren wir schnell der Ansicht, dass wir für die herausfordernde Situation des Unternehmens eine schnelle und effektive Lösung finden können. Das war für uns dann der Auslöser, um uns intensiver mit einer möglichen Übernahme zu beschäftigen“, erklärt Andreas Rauh, Geschäftsführer bei Berylls Equity Partners GmbH. Der sofort eingeleitete Transformationsprozess wurde dann allerdings im vergangenen Jahr durch die Halbleiterkrise empfindlich gestört. „Es hat sich im Nachhinein als sehr gut erwiesen, dass wir bei unserem Übernahmekonzept ein paar Sicherheitspolster vorgesehen haben“, fährt Rauh fort. Trotz aller Widrigkeiten befinde man sich auf einem guten Weg, denn – so fügt er an: „sicherheitsrelevante Teile in den Bereichen Lenkung und Fahrwerk im Auto werden immer gebraucht, selbstverständlich auch beim E-Auto“.

Gute Vernetzung in der Automotive-Branche

Die Berylls Group GmbH hat neben dem Hauptgeschäft der Top-Level-Management-Beratung in 2020 ihren Beteiligungsarm Berylls Equity Partners gegründet, um mit eigenem Kapital in kriselnde Unternehmen der Mobilitätsindustrie zu investieren. „Wir haben auf der Beraterseite so viele erfolgreiche Unternehmenstransaktionen begleitet, dass wir uns das auch selbst zugetraut haben“, sagt Rauh. Inzwischen gab es in jedem Jahr eine Übernahme und das Berylls-Team hält weiter die Augen offen. Durch die gute Vernetzung in der Automotive-Branche bekomme man frühzeitig Hinweise so wie schnelle Einschätzungen über die Krisenursachen und Marktchancen möglicher Übernahmekandidaten. „Wir wissen relativ schnell, ob es sich bei einem Unternehmen lohnt, tiefer in die Zahlen einzusteigen. Entscheidend ist für uns an erster Stelle immer unsere Einschätzung der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells. Nur wenn wir bei Berylls Equity Partners von ihr überzeugt sind, prüfen wir detaillierter, ob sich ein Investment lohnen kann“, erklärt Rauh weiter. Im Mittelpunkt steht immer, die Firmen im Berylls Portfolio langfristig erfolgreich zu entwickeln.

Erschließung neuer Kundengruppen

Bei der Heinrich Huhn-Gruppe läuft derzeit die Aufbau-Arbeit nach der überstandenen Insolvenz weiter. „Aktuell haben wir mit den Unsicherheiten durch die Entwicklung bei den Energiekosten zu kämpfen“, erklärt Jens Lange, seit 01. Juli 2022 Geschäftsführer der Heinrich Huhn Gruppe. Die hohen Tarifabschlüsse in der Metallbranche seien auch nicht hilfreich. Beide Faktoren – zusammen mit einem unverändert unsicheren Abrufverhalten der Hersteller – könnten nach seiner Ansicht besonders im Jahr 2023 zu weiteren Krisen in der Automotive-Branche führen. Bei der Heinrich-Huhn-Gruppe setzt man langfristig darauf, neue Geschäftsfelder zu erschließen. „Wir sehen Energiespeichersysteme, die in Zukunft verstärkt im Stromnetz eingesetzt werden, als eine Technologie mit viel Potenzial für die Zukunft. Da wollen wir ganz vorne mit dabei sein“, so Lange. Aktuell sei das Unternehmen noch „100 Prozent Automotive“ – aber man wolle sich beim Know-how breiter aufstellen. Geplant ist außerdem die Erschließung neuer Kundengruppen. Parallel sollen die Aktivitäten am zweiten Standort des Unternehmens in der Slowakei als auch außerhalb Europas auf- bzw. ausgebaut werden. Denn auch bei der Huhn Gruppe kann man sich einem generellen Trend in der Industrie nicht verschließen. Die aktuellen Bedingungen insbesondere bei den Energiekosten führen branchenweit zu einem Verlagerungsdruck.

Firmeninfo: Heinrich Huhn Gruppe

Branche: Automobilzulieferer
Gründung: 1912
Mitarbeitende: 500
Umsatz: ca. 100 Mio. EUR

https://www.heinrich-huhn.de

Andreas Rauh

Andreas ist seit Januar 2020 als Mitgründer und Geschäftsführer bei Berylls Equity Partners tätig. Berylls Equity Partners investiert, als Beteiligungsgesellschaft der Berylls Gruppe, in Unternehmen der Mobilitätsindustrie, die sich in Sondersituationen befinden.

Andreas ist Experte in den Bereichen Private Equity, Mergers & Acquisitions und Unternehmensführung.

Nach zehn Jahren im Bereich Transaktionsberatung mit Schwerpunkt im Mittelstand wechselte Andreas im Jahr 2014 in den Beteiligungsbereich. Dort hat er seitdem in leitender Funktion eine zweistellige Anzahl an Firmenübernahmen und -verkäufen begleitet.

Andreas ist ausgebildeter Diplomkaufmann mit einem Abschluss von der Universität Trier und hält einen Master of Science in Business Abschluss der Handelshøyskolen BI.